Die Seite für Alsterweiler von Matthias C.S. Dreyer u.a.
Hauptstraße Nr.57
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| Liegt in: Hauptstraße Anwesen davor: Hauptstraße Nr.55
Kein Vollbild vorhanden
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Hauptstraße Nr.57 ist ein Wohnhaus. Der Zweiseithof, steht giebelständig zur Hauptstraße und ist einstöckig mit ausgebautem Dach/Halbgeschoss und steilem Satteldach. Es handelt sich um einen Putzbau mit hohem Sockel. Nach Osten schließt sich ein Überbau an, der auf einer Tordurchfahrt ruht. Auffallend ist ein Gesims (vielleicht auch ehemalige Traufkante), das über dem Hoftor bis zum Nachbarhaus verläuft. Im hinteren Teil des Anwesens steht eine Scheune.
Die Vorderseite des Wohnhauses wird von einer ungewöhnlichen Fensteraufteilung geprägt. Drei beieinanderliegenden, einfach profilierten hochrechteckigen Fenstern folgt ein weiteres Fenster mit einem größeren Abstand (kleiner?). Im ausgebauten Dach sitzt mittig ein Fenster, darüber eine Dachluke.
Das Gebäude selbst ist im Kern wohl dem Barock zuzuordnen (bezeichnet 1716). Auffällig sind die nachträglichen Überformungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert (abzulesen an dem verbautem Schlussstein als Spolie bez. NGROS / KAGN / 1808) sowie dem Schlusstein Groß im Anwesen Hauptstraße Nr.41.
Der Keller des Anwesens zeigt Spuren eines Renaissancegebäudes, wohl bauzeitliche Erstentstehung eines möglichen Vorgängerbaus (nach 1620).
Nach der Qualifizierung im Zuge der "Nachqualifizierung der Denkmalzone Ortskern Maikammer-Alsterweiler" handelt es sich um ein erhaltenswertes Gebäude.
Eigentümer
Als Eigentümer sind zahlreiche Personen und Familien nachgewiesen. Das Anwesen hat eine äußerst wechselvolle Eigentümergeschichte. Zudem darf von mindestens zwei (Wohn-)Gebäuden ausgegangen werden. Ein Anwesen, das möglicherweise von Burkhard Fischer erbaut wurde, der noch heute vorhandene Renaissancekeller. In der Zeit 1580 bis 1610 herrschte rege Bautätigkeit. Die ist an einigen in dieser Zeit entstandenen Anwesen festzumachen, wie Hauptstraße Nr.39, Turmstraße Nr.9 (siehe dazu auch in Maikammer, Marktstraße Nr.5 u.a.m.). Insofern ist auch denkbar, daß das Anwesen, auf den sich der Renaissancekeller bezieht, schon Ende des 16. Jahrhunderts entstanden ist. Jedenfalls erscheint das Anwesen als Hausplatz[1] bei Hans Barchen um 1620, wurde also entweder abgerissen oder anderweitig zerstört und dann von Nikolaus Kühn im Jahre 1716 wieder errichtet oder umgebaut. Dabei handelt es sich um den heutigen Barockkern des Hauses.
Schlusssteine
Schlußstein PNB UAB - heute im Anwesen Hauptstraße Nr.41
Die noch ledige Ursula Lorenz erhielt im Jahre 1796 ein Anwesen von ihrem Vater, das Haus in der Hauptstraße Nr.57. Die Eltern, Johann Georg Lorenz (*1733 †1794) und seine Ehefrau Maria Anna Margaretha Kühn (* 1734 †1787) waren im Jahre 1796 bereits verstorben. Ursula war das fünfte Kind und die dritte Tochter. Eine Weitergabe des Eigentums an eine Tochter scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Die Versorgung der „vorlaufenden“ Kinder war aber wohl gesichert. Die Familien waren in der Regel bemüht, möglichst alle Kinder zu versorgen und angemessen zu berücksichtigen. Aus den Ausfauteiakten (Akten der Oberschultheißerei Edenkoben und des Oberamtes Kirrweiler) lässt sich in zahlreichen Fällen ersehen, dass der Hausbesitz unter die Kinder verteilt wurde. Es sollte möglichst jedes Kind ein Haus für seine Familie haben. Gab es nur ein Haus, erhielten die einzelnen Kinder Anteile, die sie den Geschwistern überließen, wenn sie selber schon ein anderes Haus (durch Heirat oder Erwerb) hatten. Gab es mehrere Häuser, wurden sie nach Bedarf verteilt, und wer keines benötigte, verkaufte es weiter. Vielleicht zog sich die Erbangelegenheit auch etwas hin oder Ursula bekam das Haus erst, als die Hochzeit bevorstand. Sie heiratete mit 25 Jahren als Vollwaise und unterstand möglicherweise bis dahin noch einem Vormund. Die Vollmündigkeit trat ja damals nicht schon mit 18 Jahren ein wie heute.
14 Jahre später, nämlich im Jahre 1810 ersteigerte das Ehepaar Peter Nikolaus Platz und Ursula Lorenz das Anwesen Hauptstraße Nr.41 (heute Anwesen Kupper). Sie zogen wohl dort auch ein. Und so kam „unser“ Schlußstein von der Hauptstraße Nr.57 in den Garten des Anwesens, wo er nunmehr seit mehr als 200 Jahren „einfach so rumliegt“.
Schlußstein NGROS KAGN in der Einfahrt rechts vermauert Hauptstraße Nr.57
Der Schlußstein von 1805 stammt also von der Hauptstraße Nr.57 und wurde von dort zum neuen Anwesen Hauptstraße Nr.41 mitgenommen. Das müsste sich dann in etwa so abgespielt haben: In das Anwesen Hauptstraße Nr.57 zog im Jahre 1808 Nikolaus Gross ein. Er mauerte seinen eigenen Stein im Torbogen ein. Dabei wurde der alte Stein von Nikolaus Platz aus dem Jahre 1805 entfernt und in die Hauptstraße Nr.41 zur Erinnerung mitgenommen. Eine kleine Schwachstelle bei dieser Annahme ist die Zeit von 1796 bis 1805. Als nämlich das Haus an die Tochter und dann mit der Heirat auch an den Schwiegersohn übergegangen ist, hätte dieser eigentlich sofort und nicht erst 9 Jahre später, den Stein einsetzen sollen. Es ist aber durchaus vorstellbar, daß es Gründe für die „verzögerte“ Anbringung gab. Es gab ja keinerlei „Verpflichtung“ sofort oder überhaupt einen Schlußstein einzusetzen. Möglicherweise waren auch die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht so, daß ein Auftrag unmittelbar an den Steinmetz vergeben werden konnte, der ja auch bezahlt werden musste.
Und dann bleibt ja noch die Frage, wie sich erklären lässt, daß der Stein von 1808, also der von Nikolaus Gross, schon eingesetzt war, obwohl die Besitzer „unseres“ Steines erst im Jahre 1810 in die Hauptstraße Nr.41 zogen. Es liegt nahe, daß Nikolaus Gross vorher woanders wohnte und den Schlußstein von 1808 nach dem Auszug von Peter Nikolaus Platz in die Hauptstraße Nr.57 mitnahm. Ein schönes Detail auf diesem Stein sind die Initialen. Sie lauten „NGROS“ und „KAG N“. Diese Klara Groß(in) war eine Cousine von Peter Nikolaus Platz. Insofern blieb das Haus auch weiterhin in der näheren Verwandtschaft.
Schlussstein am Türsturz
In dem Anwesen Hauptstraße Nr.57 befindet sich sozusagen ein „dritter“ Stein, nämlich aus dem Jahre 1716 mit den Initialen von Nikolaus Kühn und Clara Kühn, geborene Platz. Er sitzt über dem Eingang als Türsturz. Deshalb dürfen wir annehmen, daß die anderen Steine (also der von 1805 und der von 1808) im Hoftor eingesetzt waren.
Zeitleiste
- ↑ Als Hausplatz werden in der Regel brach liegende Grundstücke bezeichnet, die bebaubar wären.